Levi’s coole Kinder

Statt des Standardmodells 501 gibt’s heute fünfhunderteins verschiedene Jeansmarken – wer wissen will, welche angesagt ist, muss auf Cameron Diaz gucken und Qualen auf sich nehmen

 

Vielleicht hätten wir nicht so laut lachen dürfen, damals vor zwanzig Jahren, als der Witz noch „Moonwashed Jeans“ hieß. Wir in unseren Levi’s 501, den Kult an den Beinen, jedem Trend überlegen und überzeugt davon, ein Jeansleben lang nicht an Mode denken zu müssen. Nun aber ist die 501 hinüber, sie riss zunächst am Knie und starb nach Jahren der Treue den natürlichen Jeanstod.

Und jetzt? Jetzt sind die Erben von „Moonwashed“ am Kult-Drücker. Sie heißen wie drittklassige Killervideos „Destroyed“, „Ripped up“ oder „Distressed“, und unsere Domestos-Spielchen aus den achtziger Jahren sind nichts gegen die modernen Waschungen, Reiß-, Sandstrahl oder Lasertricks. Es brodelt also in den Waschküchen, sogar die Edelschneider aus Paris und Mailand tummeln sich am heißen Zuber. Für den nächsten Sommer werfen auch Chloé, Alberta Ferretti, Sportmax und Chanel ihre Ideen von knapp und knackig ins indigoblaue Bad. Während andere Modefähnchen immerhin eine Saison lang flattern, ändern sich manche Jeanswaschungen leider monatlich. Ständig entstehen neue Jeansmarken und blöde Fragen: Trage ich noch die richtige Waschung? Oder bin ich doch schon von gestern?

Um zu erfahren, welche Marken Kultpotenzial haben, kann man sich durch einen Berg von fünfhunderteins Jeanshosen ackern, man kann aber auch nach Hollywood blicken, da laufen sie an Cameron Diaz durch die schicke Gegend. Jedenfalls hängen Kultjeans meistens in Läden, in denen sich sogar die Reichen arm fühlen. Kult gibt’s nicht für lau, das gehört zum Konzept. Kosten: um die 200 Euro. Und: Kultjeans sind alle „low waist“, „slim fit“, „extra long“. Sie haben viel mit Figur zu tun.

Das kultbewusste Jeansmädchen kauft in München die Serfontaine- Jeans („organisch gewaschen“), die auch Cameron Diaz trägt. Weil Cameron Diaz natürlich viel dünner ist, kneift die neue Kultjeans am Oberschenkel. Also nimmt das Jeansmädchen drei Kilo ab und beschafft sich in Berlin die Citizens of Humanity („sexy“), die auch Cameron Diaz trägt. Sie könnte auch die Rock & Republic von Salma („macht XL-Beine“) in Los Angeles kaufen oder die Blujeanious von Gwyneth („streckt optisch“) in London oder online bei asseenonscreen.com die Bleach Seam Sandblast Jeans in the style of Cameron Diaz.

Aus New York kommt die Corleone Jeans („very important“), macht schlanke Beine und wird getragen von, ja richtig, von Cameron Diaz. Seven for all mankind, so heißt es in der britischen „Vogue“, seien für Frauen, die eine leichte Gesäßhebung vertragen können. Nicht gerade schmeichelhaft für die Seven-Gemeinde. Und sowieso: Neuerdings haben die sogar einen Vertrieb für Deutschland und lassen die Hosen nicht mehr direkt aus den USA einfliegen. Keine limitierten Einzelteile mehr, folglich auch keine kultige Rarität.

Jetzt aber die Earl Jean. Die macht angeblich eine Kleidergröße dünner. Und fühlt sich ungefähr so an wie ein Druckverband am Oberschenkel. „Junge Frauen tragen das heute so!“, motiviert die Modeberaterin. „Shrink to fit! Schrumpf doch, damit sie dir passt!“ Die kalifornische Jeansmarke Earl Jean war eine der ersten hierzulande, die um die Jahrtausendwende den großen Hunger auf Superteuer stillte, nur: War sie letztens nicht sogar reduziert? Ist Earl überhaupt noch Kult?

Auch die Butt Lifter von Blue Cult will den Popo und das Selbstbewusstsein heben. Kommt, logisch, aus Kalifornien. Wird jetzt schon von ja, ja, schon gut!

Man könnte also sagen, dass Cameron Diaz ein echtes Jeansmädchen ist und dass Jeansmädchen ihre Jeansmarken heute wechseln wie ihre Unterwäsche. Sieben Jeans, für jeden Tag eine. Mindestens. Und alle sind sie zu eng.

„Gibt es eigentlich auch Levi’s in Düsseldorf? Ich meine nicht die Red, sondern die Klassiker?“, fragt das Jeansmädchen im Modeladen Kult an der Düsseldorfer Königsallee. „Ja, Kult in der Altstadt links liegen lassen und rechts abbiegen.“ Das Mädchen tut, wie ihm geheißen, und da liegt tatsächlich ein Stapel Levi’s im Schaufenster – neben Autofahrerhosen, im Bund verstellbar. Hosen für alle. Und alle ist auch das Jeansmädchen.

Das fühlt sich alt, geht nach Hause und bestellt eine Levi’s 501XX von 1947 aus dem „Es gibt sie noch die guten Dinge“-Katalog von Manufactum für 172 Euro. Und dann ab in die warme Badewanne und shrink to fit! Das ist auch kompliziert, und vielleicht wird die Hose hinterher zu kurz. Aber lieber eingelaufene Hose als geschrumpftes Ego.