Bürgers Tarnjacke
Der Parka

Als der Bürger noch klein war, trug er am liebsten seine Cowboyjacke mit Fransen. Zehn Jahre später imponierte eine Motorradjacke seiner ersten Freundin Betty, und ihrer Brieffreundin in Frankreich schrieb sie: „Er ist so toll, ganz anders als alle anderen. Er ist … Er trägt keinen Parka!“ Heute lächelt er über diese Zeit. Heute definiert er sich nicht mehr über Kleidung. Heute hat er keine Pickel, ist selbstsicher und gebildet. Er schwört auf das Normale und fühlt sich darin sicher und geborgen. Er isst Dosenfisch mit Brot und muß sich nie rechtfertigen.

Er trägt seit vielen Jahren eine sportliche Freizeitjacke mit bequemen Schubtaschen. Eine, die fast knielang ist, eine Kapuze und einen Tunnelzug in der Taille und am Saum hat. So eine Jacke heißt Parka. Das ahnt der Bürger nicht. Er glaubt, Parkas seien olivgrün und würden nur von Soldaten, randalierenden und demonstrierenden Studenten getragen. Die Schüler, die sich Anfang der achtziger Jahre einen Parka zu Weihnachten wünschten und statt dessen einen grünen Anorak geschenkt bekamen, sahen das auch so. Der Bürger trägt zufällig die Kluft der Halunken. Im Lokalteil seiner Zeitung tragen Tankstellen- räuber und Antiquitätenräuber Parkas. Fernsehkommissare jagen die Strolche in Parkas. Das ist ihm noch nicht aufgefallen. Ein Parka fällt nicht auf. Was kümmert den Bürger die Mode! Er bestellt seinen Parka nach der Tagesschau auf dem Sofa bei Otto oder Quelle. In Bordeaux oder Beige. Aus Sympatex oder Ripstop. Im Winter knüpft er das herausnehmbare Kunstpelzfutter wieder hinein.

Der Parka ist unverwüstlich und erzählt Geschichten von Abenteuer und Kampf. Menschen in Alaska und Sibirien nähten die ersten Parkas aus Fell oder Leder, um sich vor der eisigen Kälte zu schützen. Später übernahmen Armeen diesen Schnitt und schützten ihre Soldaten in Militärparkas vor Wind und Wetter. Der Parka wurde zum Symbol des Militarismus. Im London der sechziger Jahre trugen Arbeiterjungs Militärparkas, um ihre maßgeschneiderten und für ihre Verhältnisse viel zu teuren Anzüge vor dem Dreck ihrer schlecht bezahlten Jobs zu schützen. Die Mods oder Modernists investierten ihren gesamten Lohn in die Kleidung der Leute, deren Leben sie nie führen würden. Der Parka zeigte, daß ihr Leben nicht nur ein großer Spaß war.

In Deutschland kämpften die Studenten Ende der sechziger Jahre gegen die Autorität des Staates und entweihten den Bundeswehrparka als Uniform der Revolte. Über die Deutschlandflagge malten die Hippies der siebziger Jahre Peace- Zeichen. Die Militärjacke sollte die Pazifisten vor den Wasserwerfern der Polizei schützen. So wurde der Bundeswehrparka modern und eroberte Anfang der achtziger Jahre die Kleiderschränke der Pubertierenden. Den Parka trugen Leute, denen ihre Idee von plötzlich erwachender Individualität noch suspekt war und die sich nach außen lieber uniform zeigten. Andere wieder wollten zwar erwachsen sein, aber nicht so aussehen wie die Erwachsenen der Elterngeneration.

Heute gibt es Parkas in allen Farben und Materialien, neben den fragwürdigen Military- und Camouflage-Trends der letzten Jahre. Er gilt als praktische Allzweckjacke und wurde zum geschlechtsneutralen Klassiker, wie Jeans, T-Shirt und Turnschuhe und oft auch in ebendieser Kombination getragen. Der Parka ist nie richtig, aber immer ein bisschen in Mode. Im Herbst 2002 wieder ein bißchen mehr. Das entschieden zum Beispiel Dolce & Gabbana samt ihrer Zweitlinie D&G, Trussardi, Versus und Miu Miu von Miuccia Prada. Sie bieten den Männern eine Luxusversion für die Abenteuer der Großstadt an. Aufwändige Modelle mitunter, mit Kaninchenfell gefüttert, aus delikaten Stoffen genäht. Eine große Schar von Designern und Nachahmern ließ sich inspirieren. Aber so sehr man sich auch müht, den Parka zu zivilisieren, er bleibt doch ruppig. Er sieht aus, als liebte er den Widerstand mehr als den Boulevard. Auch wenn er gerade als patenter Freund Hand in Hand mit der Eleganz geht: Der Vorwurf, er hätte die Seiten gewechselt, prallt an ihm ab wie ein satter Hagelschauer. Schon munkelt man, der Parka würde sich bald erübrigen, wie jede Laune der Mode.

Was geht es den Bürger an?! Er kämpft nur mit seinem Aktenberg. Er interessiert sich nicht für Mode. Und die Frau aus der Buchhaltung, die er immer schon einmal ansprechen wollte und von der er so oft träumt, wird im Herbst in der Kantine ihrer Freundin zuflüstern: „Er ist so toll, … sehr modern. Er trägt einen Parka!“