Auf Landgang

Jeden Frühling kommt sie wieder – und wird doch nie langweilig. Denn Matrosenmode ist Freiheit und Ferien-Feeling zum Anziehen

 

Der Matrose im Mastkorb war der freieste Mensch“, schrieb Fritz A. Kauffmann in seinem Roman „Leonhard. Chronik einer Kindheit“. Da schlüpft der junge Held in sein „langersehntes Ferienkostüm“, den Matrosenanzug. In der „Freilufttracht“ auf einer Schaukel ist er glücklich, nur hier und nur so spürt er „das Hochgefühl des freien Äthers“.

Der Matrosenlook kommt mit dem Sommer, mit der Sonne. Er ist das Outfit des Urlaubs. Adrett, fast geschniegelt, macht er das Leben trotzdem lässiger. Schon im Februar rufen die Frauenzeitschriften „Leinen los“ oder „Anker lichten“ und propagieren den Auszug ins Blaue. Auf den Marinetrend ist Verlass, wenn der Winter wieder mal zu lang war. Immer frisch, immer heiter. Immer wieder. Für die aktuelle Frühjahrssaison schickte diesmal der italienische Modemacher Giorgio Armani die meisten Matrosen auf den Steg. Und die Belgierin Ann Demeulemeester setzt auf luftigen Bretonenstrick. Marc Jacobs für Louis Vuitton, Chloé, Michael Kors, alle stimmen sie ein in den Shanty von Leichtigkeit und Ferienglück.

Hanseatisch diskret hält er sich im Hintergrund, der Marine-Akzent. Hier ein bisschen Blau an Weiß, da ein Matrosenkragen, Hosenlatz oder Streifen. Das muss reichen. Wer’s übertreibt, sieht aus wie Donald Duck oder Oskar Matzerath aus der „Blechtrommel“, das ewige Kind. Seit Ende des 19. Jahrhunderts ist der Matrosenanzug das modische Symbol für Kindheit. Eine marineblaue Welle schwappte über die Kinder des Deutschen Reiches, als Kaiser Wilhelm II. die Flotte aufrüstete. Erst trugen nur die Kinder kaisertreuer Bürger den Anzug zum Zeichen patriotischer Gesinnung. Als bequemer Spielanzug aber eroberte er bald die Kleiderschränke fast aller Rabauken. Die Kinder der Oberschicht sahen bis dahin aus wie die Miniausgabe der Erwachsenen – fest gezurrt und eng verpackt.

Der englische Kinderarzt, Philosoph und Diplomat John Locke sah die feinen Kleinen bereits vor 300 Jahren gern locker gekleidet, und so manche englische Hofdame steckte ihre Jungs schon damals in den Anzug nach Art der Matrosen, das „Costume à la matelot“. Kult wurde der Matrosenanzug aber erst, als Queen Victoria ihren fünfjährigen Edward 1846 in einem Navy-Anzug porträtieren ließ. 1862 schickte sie solche Klamotten auch ihrem Enkel in Deutschland, der sich später, als Wilhelm II., nur allzu sehr für die Marine interessierte. So kam es, dass Willy Brandt, Beate Uhse oder Willy Millowitsch sich, eine Zeit lang und rein modisch, kaum voneinander unterschieden.

Für die Mamis mogelte sich der Marinelook auch schon um 1900 in die Mode – mit einem kleinen Umweg über Yachthafen und Tennisplatz. Zwar mussten die Ladys gewöhnlich noch im Korsett die Luft anhalten, aber beim Sport durfte es ungezwungener zugehen. Coco Chanel nähte während des Ersten Weltkriegs Matrosenblusen. Sie trug selbst gern ein geringeltes Baumwollhemd, das Bretonenshirt. Das, in dem Picasso malte, das Gaultier liebt und in dem die französischen Marinerekruten die ersten Monate an Bord bestehen.

Jahr für Jahr besinnen sich auch Luxus-Schneider auf Seemanns Kleider. Mal mit wenigen Entwürfen, mal kursangebend wie Yves Saint Laurent 1966 oder Marni vor drei Jahren. Wer das Kind nicht beim Namen nennen will, der verkauft den Marinelook unter Tarn-Mottos wie „Streifen“, „Unisex“ oder „Jugend“.

Warum kommt der Matrose so gut an? Hätte Richard Gere in dem Film „Offizier und Gentleman“ als Panzergrenadier etwa keinen Schlag bei Debra Winger gehabt? Ein echter Obermaat der Marine meint: „Meine Kollegen waren alle beim Heer. Aber sie sagen, dass wir bei der Marine die schönsten Uniformen hatten.“ Ein Vorfahre des Designers Luigi Colani war Uniformschneider der Kaiserlichen Marine. Luigi selbst hat jüngst die Hamburger Polizei neu eingekleidet. In Dunkelblau. Die Beamten sind beglückt. Die meisten Menschen geben Blau als ihre Lieblingsfarbe an. Blau ist die Farbe des Himmels, des Meeres, der Treue und der Harmonie. Früher galt Blau als die beste Küchenfarbe, weil man dachte, sie halte Fliegen fern.