“Diese Jacke… das bin ich nicht!”
Ob Schuhe oder Kleidung: Für manche ist Umtauschen fast schon ein Hobby
Jedes Jahr nach den Weihnachtsfeiertagen geht es wieder los: das große Umtauschen. Doch wer ein Weihnachtsgeschenk umtauscht, kann wenigstens einen guten Grund nennen. In der übrigen Zeit des Jahres lernen Verkäufer den überraschend großen Ideenreichtum der Käufer kennen.
Es roch nach Erbsensuppe, als Schluss war mit lustig. Am Montag brachte die Frau wieder alle Kleider zurück, die sie freitags gekauft hatte. Es war der achte Montag in Folge. Ein Kleid roch nach Eintopf. Sie beteuerte, es nicht getragen zu haben. Der Geschäftsführer tauschte alles um. Wie immer. Kulant. Aber seine Geduld war am Ende. Er sagte es der Frau. Zwei Monate setzte sie daraufhin keinen Fuß mehr in den Laden. Dann wurde sie zur treuen Kundin.
Umtausch. Alles ist gesetzlich geregelt. Nichts ist klar. Denn bei Nichtgefallen muss der Verkäufer nicht umtauschen. Aber er kann. Und Können ist viel komplizierter als Müssen. „Die Leute reden sich um Kopf und Kragen, damit wir ihnen die Sachen umtauschen“, sagt eine Store- Managerin aus Düsseldorf. Mehr sagt sie nicht. In der Schlange an der Kasse sind Umtauscher so beliebt wie die, die im Supermarkt vergessen haben, das Gemüse auszuwiegen. „Gefällt meinem Mann nicht“, hört man da. Oder mit Ausrufezeichen: „Mein Mann sperrt mir das Konto, wenn Sie mir die Jacke nicht umtauschen.“
„Diese Jacke… das bin ich nicht“
Problemloser Umtausch ist der Service schlechthin. Junge tauschen öfter um als Ältere, Männer seltener als Frauen. Jeder sechste plant den Tausch beim Kauf mit ein. Kauft die Hose in zwei Größen, probiert in Ruhe zu Hause. Umtauschen wird immer leichter. Beim Umtausch wird der Verkäufer zum Vertrauten. Flecken erzählen Geschichten, die man sogar der besten Freundin verschweigen würde. Kunden entblößen sich am Umtauschtresen, als lägen sie auf der Couch: „Diese Jacke… das bin ich nicht.“
„Viele Leute tauschen um, weil sie einsam sind“, sagt ein Verkäufer. Eine Kapitänsfrau kauft ein und tauscht, kauft ein und tauscht, wenn ihr Mann auf See ist. Ist er aber zu Hause, dann ist Tauschpause. Eine andere sucht in dem kleinen Schmuckladen einen Vormittag lang einen Ring aus. Am nächsten Tag bringt sie den Ring zurück, nur um sich einen weiteren Vormittag lang einen anderen Ring auszusuchen. Das Geld reicht nur für einen Ring. Vormittage hat die Frau im Überfluss.
Lieber Bargeld als ein Designerpullover
Beziehungsrüpel outen sich. Eine junge Studentin kauft mit ihrem Ersparten einen Designerpullover als Geschenk für ihren Freund. „Natürlich kann ich mir den Pullover nicht leisten. Aber mein Freund liebt diesen Designer.“ Ein paar Tage später kommt der Freund. Allein. DerPullover sei nun gar nicht sein Ding. Aber die Menge Bargeld könne er gut gebrauchen. Entwaffnend unkompliziert erklärt dagegen eine Wuppertalerin: „Die Bluse passt nicht zu meiner Perücke“. Eine andere setzt klare Prioritäten: „Die Farbe des Kleides beißt sich mit der Lackierung meines Autos.“
Frau M. arbeitete zwanzig Jahre am Kundendienst. Zwanzig Jahre hat sie hauptberuflich umgetauscht. Eines Tages kam eine Witwe. Trauernd, von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet. Sie brachte einen Anzug und zwei Hosen. Alles ein paar Mal getragen. Ihr Mann sei gestorben. Ob man die Sachen tauschen würde. Ausnahmsweise. Die Geschäftsleitung war einverstanden. „Und sagen Sie dazu: Aus Kulanzgründen!“ Kurze Zeit später sah Frau M. die Witwe und den angeblich Verstorbenen quietschfidel in der Fußgängerzone.
Spaßfaktor Umtausch
Flunkern viele Kunden beim Umtausch? „Nein. Die meisten Kunden sind ehrlich“, sagt Thorsten Rolfes von C&A. „Nein“, sagt auch Mathias Geduhn von H&M. „Es gab immer schon ein paar Leute aus der Party-Szene, die versucht haben, durchtanzte, Wodka getränkte Kleider umzutauschen. Da spielt auch der Spaßfaktor eine Rolle. Mal sehen, wie weit man gehen kann.“ Einige mogeln Produkte anderer Hersteller unter H&M Artikel. Zara näht mittlerweile Etiketten mit Strichcodes in die Seitennaht der Ware. Als Schummelschutz.
Luxushändler Hermès tauscht großzügig die berühmten Seidentücher, die Carrés, um. Auch Seidenkrawatten und Pochettes. Fristlos. Ohne Kassenbon. In jedem Laden der Welt. Die Artikel sollten allerdings originalverpackt sein. Ein Mitarbeiter erläutert: „Während der Kunde sich ein neues Modell aussucht, reichen wir das Tuch unauffällig einem Kollegen. Der prüft, ob es sich um ein Original handelt und noch nicht getragen wurde.“
Lebenslanges Umtauschrecht
Beim Versender Lands’ End gilt ein lebenslanges Umtauschrecht ohne Angabe von Gründen. In den USA bestellte ein Mann zu Beginn eines Monats dreißig Paar Socken, schickte sie am Ende getragen zurück und ließ sie sich ersetzen. Das machte er zwei Jahre lang so, Monat für Monat. Nach zwei Jahren fragte Lands’ End höflich, ob er mit der Qualität der Strümpfe unzufrieden sei. Er antwortete: „Die Strümpfe sind prima. Ich wollte nur wissen, wie lange ihr das durchhaltet.“ Der alte Herr, der 2003 in ein Hamburger Kaufhaus trat und freundlich fragte, ob er die ungetragenen Schuhe von 1986 umtauschen könne, hätte bei Lands’ End sein Geld zurückbekommen. In dem Kaufhaus bedauerte die Abteilungsleiterin. Sie bedauerte wirklich. Dem alten Herrn hätte sie gern den Gefallen getan. Dieser sagte bescheiden „Ach so, geht nicht“, verabschiedete sich mit einem Lächeln und ging auf seinen Stock gestützt davon.